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© antje pfannkuchen, Dezember 1999

 

Vom Vortex zum Vortizismus -- Teil 2


Der Vortex in der viktorianischen Physik

Populäre Naturwissenschaft

Harper's Magazine und Atlantic Monthly waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts die beiden etablierten großen Literaturzeitschriften Amerikas, wie in der Encyclopedia Britannica nachzulesen ist:

    Harper's New Monthly Magazine (New York City, 1850; later called Harper's Magazine) founded by the book-publishing Harper brothers, serialized many of the great British novels and became one of America's finest quality magazines. It was rivaled only by the Atlantic (Boston, 1857; later called Atlantic Monthly), which had a long line of distinguished editors, beginning with James Russell Lowell, and published most of the great American writers, from Ralph Waldo Emerson, Henry Wadsworth Longfellow, and Oliver Wendell Holmes onward.[1]
Um 1900 veröffentlichte Harper's regelmäßig und teilweise exklusiv Kurzgeschichten von Mark Twain und William Dean Howells. Letzterer war vorher Herausgeber des Atlantic Monthly gewesen und hatte dort für die Veröffentlichung der jeweils ersten Erzählung von Henry James und Mark Twain gesorgt. In Harper's erschien 1901 in Fortsetzungen Henry James` großer Roman The Ambassadors. Mit anderen Worten, Harper`s und Atlantic waren Zeitschriften, die ein literarisch interessierter Amerikaner nicht ignorieren konnte. Was den Literaturstudenten Pound besonders gefreut haben mag, ist, daß Harper's auch Texte von Maurice Maeterlinck veröffentlichte, einem seiner Lieblingsautoren zu dieser Zeit. Seine damalige Freundin Hilda Doolittle berichtet von intensiven gemeinsamen Lektüren.[2] Aber keine der beiden Zeitschriften beschränkte sich allein auf die Publikation von Belletristik. In der ›Editorial Policy‹ von Harper's für das Jahr 1904 werden folgende inhaltlichen Ziele für das Magazin formuliert:
    It will present authoritative articles, covering every important field of human activity, going to original sources for its studies. The greatest scientists will treat of new discoveries in science; great historians will write on history, and at first hand will come accounts of discovery, travel, archaeology, art, nature, literature, language, etc.[3]
Auch das Atlantic Monthly stellt mit seinem Untertitel ›A Magazine of Literature, Science, Art, and Politics‹ die Wissenschaften an eine herausgehobene Stelle, gleich neben die Literatur. Der Psychologe und Philosoph William James veröffentlicht ebenso regelmäßig Artikel, wie der Psychophysiker Hugo Münsterberg; der Naturforscher John Muir schreibt über die Schätze des amerikanischen Waldes, aber auch unbekanntere Autoren berichten den Lesern über die neuesten Erkenntnisse der Astronomie, Biologie, Physik, etc. In der Rubrik für Buchrezensionen gibt es immer auch eine Abteilung über die neuesten wissenschaftlichen Veröffentlichungen von allgemeinem Interesse. Insbesondere Harper's pflegte einen intensiven Kontakt mit der damals führenden englischen Naturwissenschaft und rühmt sich seiner Beiträge:
    Harper's Magazine has published during the past few years more scientific articles of importance than any other periodical [...] Special experiments are being conducted by great scientists abroad, but he who regularly reads Harper's Magazine will be the first to be informed of what progress the world is making.[4]
So schrieb beispielsweise im Juli 1904 der englische Mathematiker Charles Hinton über The Fourth Dimension, im August desselben Jahres der viktorianische Physiker Oliver Lodge über eine Electric Theory of Matter.
Aus dem Jahre 1905, als Pound an seinem Plotinus-Gedicht arbeitete, findet sich in Harper's Magazine ein Artikel über Gravitation and the Ether[5], der uns mit dem Vortex-Begriff aus der Sicht der englischen Physik bekannt macht. Der Verfasser, C. W. Saleeby, ist ein typischer journalistischer Autor, der für Harper's regelmäßig über allgemein interessierende Aspekte der Naturwissenschaften schrieb, darüber hinaus indes praktisch unbekannt blieb. In seinem Artikel bietet er eine Kurzzusammenfassung grundlegender physikalischer Theorien der Zeit. In der Annahme, daß »the present century [...] should reveal the hitherto undiscovered cause of gravitation«, stellt Saleeby dar, welche neuen Erkenntnisse das 19. Jahrhundert auf diesem Gebiet gebracht hat. Zunächst jedoch betont und erörtert er die zentrale Bedeutung der Gravitation, dieser rätselhaften Kraft, für das menschliche Leben:
    Gravitation -- or rather its Immanent Cause -- having given us life, and ever binding us to the preserving sun, from which our planet would otherwise hurl itself in suicide, it actually proceeds to supply the human mind with the best proof of what is perhaps its most lofty conception. That conception is that this vast and multiform world [...] is a Universe, One, a Cosmos, not a Chaos.[6]
Strukturelle Ordnung im Universum wird, nach Saleebys Darstellung, von der noch zu entdeckenden immanenten Ursache der Gravitation geschaffen. Und er konstatiert, was einen ambitionierten Poeten wie Pound hätte aufhorchen lassen können: »Until Newton, who taught us, as [Herbert] Spencer says, ›how the universe is balanced,‹ it was only the poet or seer that had divined this truth.«
Saleeby verweist auf die von Isaac Newton aufgestellte Theorie der gravitativen Wechselwirkungen zwischen zwei Körpern -- mögen es nun Atome, Planeten oder Fixsterne sein --, nach der die Anziehungskräfte mit Hilfe der Massen der beiden Körper und ihrer Entfernung voneinander sehr einfach zu berechnen sind.[7] Diese mathematische Erkenntnis mitsamt den astronomischen Vorarbeiten Johannes Keplers, welche Newtons Theorie erst ermöglichten, bietet nach Saleeby auch den Schlüssel zum Verständnis des amerikanischen Dichter-Philosophens Emerson »who knew that the real is One, and who sought an identity between even purity of soul and this mathematical law -- this thought of God.« Diesen göttlichen, einer allumfassenden Wirkung der Gravitation[8] geschuldeten Gedanken bezieht Saleeby auf Kepler, der einmal, als er lange die Sterne beobachtet hatte, auf die Frage seiner Frau nach seinem Tun geantwortet haben soll: »I have been thinking the thoughts of God.«[9] Ganz fraglos wird die später von Pound so oft geübte Praxis des Vergleiches von Naturwissenschaft mit der Dichtkunst offenkundig von Zeitschriften-Artikeln wie dem Saleebyschen mit vorgeprägt.
Saleeby will seine Leser begeistern am ›Wunder‹ der Gravitation, die solch eine entscheidende Bedeutung für alles Leben auf der Erde hat. Wenn wir schon ihre Ursache nicht wissen, so sei es doch, um dem großen Rätsel näher zu kommen, wichtig, sich ihre Wirkungsweise vor Augen zu führen. Die erste Frage, die er stellt, lautet: Wie ist es möglich, daß Erde und Sonne sich anziehen? Offensichtlich gebe es kein Seil, das sie verbinde. Die Problematik, die sich aus der Unsichtbarkeit des Seils ergibt und die schon Generationen von Philosophen beschäftigt habe, ist daher: »whether or not two things can act on one another without a medium«. Saleeby verneint, ganz im Sinne der damaligen Naturwissenschaft und ihres Nahwirkungs- oder Kontinuitätsprinzips, die Möglichkeit, daß Kräfte ohne ein Medium übertragen werden könnten.
Das verbindende Medium sei der Äther, über den zwar keine vollständige Einstimmigkeit unter den Wissenschaftlern herrsche, dessen Existenz aber zwingend sei. »And certainly, though no sane person doubts the existence of the ether, we are sorely troubled when we are asked to describe it, for we are almost forced to give it properties incompatible with one another.« Die schwierig zu vereinenden Eigenschaften des Äthers ergeben sich daraus, daß der Äther einerseits das Medium für alle Arten elektromagnetischer Transversalwellen sein soll, die sich mit Lichtgeschwindigkeit in ihm fortpflanzen, und außerdem das Medium für Gravitation; und daß darüber hinaus »it is supposed that all ponderable matter is really made out of ether«. Ponderable, ›wägbare‹ Materie wird in der vorrelativistischen Physik all jene Materie genannt, die der Gravitation unterliegt, also ein Gewicht hat. Die ponderable Materie bestehe nun ihrerseits -- paradox genug -- aus Äther, der insofern die Kräfte der Gravitation vermitteln kann, selbst aber als gewichtslos, als ›imponderabel‹, angenommen wird.
    It comes to this, then, that in the ether modern science recognizes the most profound of all its problems, except that of consciousness. By gravitation it makes the universe one, by its movements it makes the universe alive, and it is the stuff of which the material universe is made.[10]
Nachdem in Saleebys Überlegungen die Gravitation den Beginn und das Ende allen menschlichen Seins auszumachen schien, zeigt sich nun, daß der Äther, der in seiner Komplexität mit dem menschlichen Bewußtsein verglichen werden könne, die Grundlage aller Dinge und allen Lebens bilden soll. Die Unklarheiten verbinden sich: »If we knew the relation of ordinary matter to the ether, we might understand the cause of gravitation«.
In der Äther/Materie-Verbindung können wir gewissermaßen das ›Seil‹ sehen, das die Materie der Erde mit der Materie der Sonne verbindet. Das Problem, wie aus einem gewichtslosen Medium gewichtige Materie entstehen könne, bzw. wie sich der ungreifbare Äther greifbar materialisiere, erkläre nach Ansicht Saleebys die ›brillante Theorie‹ der ›ethereal vortex rings‹ am besten. Lord Kelvin, »that grand master of contemporary science«, habe diese berühmte Theorie aus der Beobachtung von Rauchringen in der Luft entwickelt. So, wie Rauchringe nur aus Verwirbelungen der Luft bestünden und sich doch von ihr unterschieden, so bestünde ein Elektron -- das ›leichteste‹ damals bekannte Materieteilchen -- aus Äther. Saleeby weist darauf hin, daß er noch vor einem Jahr, so wie auch ursprünglich Lord Kelvin, vom Atom gesprochen hätte, daß nun aber, nach der Entdeckung des Elektrons[11], dieses als kleinste Einheit der ponderablen Materie angenommen werden müsse.
Allein, aus dem Wissen um diesen Wirbelmechanismus, ergebe sich aber noch immer kein Begriff davon, was dieser Äther -- »which no one has ever seen or felt, or ever will see or feel, but of the existence of which we are nevertheless certain« -- nun eigentlich sei. Da der menschliche Geist sich von Unbekanntem immer nach dem Vorbild des Bekannten eine Vorstellung mache, wären die meisten Menschen der Meinung, daß der Äther eine Art extrem leichten und dünnen Gases sei. Auch einige Wissenschaftler, wie z.B. der russische Chemiker Mendeleéf, verträten diese Ansicht. Lord Kelvin dagegen mußte im Sinne der Physik behaupten, daß der Äther ein kontinuierlicher elastischer Festkörper sei, weil nur solche Körper Transversalwellen wie Licht und Elektromagnetismus transportieren können. Die Kontinuität des Äthers sei überdies eine Vorbedingung für die Gravitation, die ja nicht »across a crack or an empty space«[12] vermittelt werden könne. Der Äther sowie die in ihm und durch ihn stattfindende Gravitation berge eine Fülle von Unklarheiten, ja großen Widersprüchen.
Mit Blick auf das scheinbar so simple Gravitationsgesetz Newtons nach der Formel m*m`/r2 mutmaßt Saleeby, daß die mathematische Beschreibung des Äthers, wenn sie erst einmal entdeckt sein werde, ebenso einfach sein müsse. »What could be simpler than the mathematical law of gravitation?« Ein Medium wie der Äther, »which displays such constant and invariable results must itself be constant, simple, and invariable.«[13]
Soweit Saleeby. Was aber sind das für Theorien, die er hier überblicksartig in einen Zusammenhang bringt? Welche physikalischen Konzepte stehen dahinter? Was hat es mit den Äther-Wirbeln auf sich, die die Materie bilden sollen? Das Konzept des Äthers verbindet sich in der Tat mit der Geltung eines Prinzips der Kontinuität in der Natur, nämlich mit der Annahme, daß Kräfte nicht ›across a crack or an empty space‹ wirken können. Dies Kontinuitätsprinzip ist für Saleeby grundlegend und so selbstverständlich, daß er es keiner weiteren Erörterung für wert erachtet. Was aber ist diese Vorstellung von Kontinuität, die am Grunde der gesamten Theorie liegt?

 

 

Zwei Grundkonzepte der Viktorianischen Physik

Kontinuitätsprinzip

Angeblich stammt der Ausspruch ›Natura saltum non facit‹ (Die Natur macht keine Sprünge) schon von Aristoteles. Das neuzeitliche Konzept eines Kontinuitätsprinzips jedoch geht auf Gottfried Wilhelm Leibniz zurück. Dem besseren Verständnis dieses Prinzips zuliebe sei ein ideengeschichtlicher Abstecher zu Leibniz gestattet, welcher in einem kompakten Text sein Konzept der Kontinuität sehr klar und anschaulich darstellte. Auf dieser Basis wird auch die leicht abgewandelte Form desselben in der englischen Physik des 19. Jahrhunderts sofort einsichtig, wo das Kontinuitätsprinzip nicht länger in einem mechanischen, sondern bereits thermo- und elektrodynamischen Kontext galt und zum »guide of all modern scientific advance«[14] wurde. Die viktorianische Physik ist ohne das Prinzip der Kontinuität nicht denkbar und setzt sich damit von der Newtonschen Tradition ab, in der Fernwirkungen -- ›across a crack or an empty space‹ -- erlaubt waren.
Leibniz, als zeitgenössischer Konkurrent Newtons, erläuterte das Kontinuitätsprinzip in seinem Text Principium quoddam generale non in mathematicis tantum sed et physicis utile [Ein allgemeines Prinzip, das nicht nur in der Mathematik, sondern auch in der Physik von Nutzen ist] von 1687 und in zwei Briefen von 1702[15], die zusammen mit dem Text veröffentlicht worden sind. Er nennt es ein »Prinzip der allgemeinen Ordnung«, das »von absoluter Notwendigkeit in der Geometrie« ist, »sich jedoch auch in der Physik bewährt«. Leibnizens Definition lautet:

    Wenn sich (bei den gegebenen Größen) zwei Fälle stetig einander nähern, so daß schließlich der eine in den anderen übergeht, muß notwendig bei den abgeleiteten bzw. abhängigen (gesuchten) Größen dasselbe geschehen.[16]
Leibniz erklärt diese Definition zuerst an einem geometrischen Beispiel, da uns aber die physikalische Anwendung des Prinzips interessiert, soll hier sein zweites Beispiel aus der Physik zur Anschauung dienen. Leibniz macht deutlich, daß beispielsweise Ruhe als unendlich kleine Schnelligkeit oder als unendlich große Langsamkeit betrachtet werden kann. Eine »Regel für die Ruhe« müsse daher »als eine Art Folgerung oder Sonderfall der Bewegungsgesetze« verstanden werden können. »Wenn das nicht gelingt, ist es das sicherste Zeichen dafür, daß die aufgestellten Regeln mangelhaft sind.«[17] Analog könne Gleichheit als unendlich kleine Ungleichheit betrachtet werden. Als Demonstrationsbeispiel wählt Leibniz das erste und zweite Bewegungsgesetz, welche Descartes in den Principia Philosophiae aufgestellt hat; und Leibniz behauptet, daß diese beiden Regeln einander widerstreiten.
Es geht darum, was passiert, wenn zwei Körper zusammenstoßen. Laut Descartes werden sich diese beiden, wenn sie gleich groß sind und sich mit gleicher Geschwindigkeit bewegen, nach dem Zusammenstoß jeweils mit der ursprünglichen Geschwindigkeit dahin zurück bewegen, woher sie kamen. Soweit stimmt Leibniz zu. Die zweite Regel Descartes` lautet jedoch, daß, wenn einer der beiden Körper größer ist, als der andere, sich nach dem Zusammenstoß beide Körper gemeinsam in die Richtung weiterbewegen, in die sich vorher der größere Körper bewegt hat. Leibniz verweist darauf, daß man ja die Ungleichheit der beiden Körper sich so weit annähern lassen könnte, »daß der Unterschied zwischen den beiden Voraussetzungen der Ungleichheit und Gleichheit geringer als jede gegebene Größe wird«. Nach dem Kontinuitätsprinzip und »insbesondere der natürlichen Einsicht« müsse nun aber in einem solchen Fall »auch der Unterschied zwischen Wirkungen bzw. Konsequenzen dieser Voraussetzungen stetig abnehmen und schließlich kleiner als jedes beliebig Gegebene werden«.[18] Es sei somit undenkbar, daß sich die Auswirkungen eines Zusammenstoßes zweier Körper in der von Descartes beschriebenen Weise sprunghaft verändern.
Leibniz ist »von der Allgemeingültigkeit und dem Wert dieses Prinzips nicht nur für die Geometrie [als der Wissenschaft von den Grenzen und der Größe des Kontinuums], sondern auch für die Physik vollkommen überzeugt«. Es impliziert seiner Ansicht nach darüber hinaus, daß alles im Universum so miteinander verbunden ist, daß »jeder gegebene Zustand nur durch den ihm unmittelbar voraufgehenden auf natürliche Weise erklärbar ist«[19]. Die Kontinuität bezieht sich also in Leibniz` Verständnis gleichermaßen auf Dinge wie auf Prozesse, deren Gesetzmäßigkeiten sich jeweils an den Übergängen zeigen. Und sie gilt, wie der noch vollständig in der Kontinuums-Ära der Physik befindliche Leibniz-Leser Ernst Cassirer 1902 schreibt, ebenso für die »Gesetzlichkeit der Naturdinge«, wie für die »Probleme der Naturerkenntnis«[20].
In diesem umfänglichen Sinne versteht auch die englische Physik seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Principle of Continuity. Jede natürliche Entwicklung verlaufe stetig als eine ununterbrochene Kette von Effekten, die sich gegenseitig bedingen und die aus der fernsten Vergangenheit bis zur Gegenwart und aller Voraussicht nach auch in die entlegenste Zukunft reicht; vom unbegrenzt Makrokosmischen bis hin ins infinitesimal Kleinste. Die Entwicklung der Natur ereigne sich in Form einer stetigen Kausalität. Die Beobachtung und Erforschung der Natur -- das, was Cassirer Naturerkenntnis nennt -- muß sich demnach analog dazu vollziehen. Durch ständige Ansammlung von Daten und Fakten, deren Auswertung und daraus gezogene kausale Schlüsse nähert sich der Wissenschaftler der Wahrheit immer weiter an. »This principle represents the path from the known to the unknown, or to speak more precisely, our conviction that there is a path.«[21]
Das Kontinuitätsprinzip -- das insofern für einen wissenschaftlich so ambitionierten Poeten wie Pound nicht bedeutungslos geblieben sein kann -- deklariert nicht nur ein ›Naturprinzip‹, sondern darin zugleich eine Progression des Wissens über die Natur, eine ununterbrochene Wissenskette. »Once we have accumulated sufficient trustworthy evidence to show us that we are in the right way, we are never afterwards irretrievably defeated.«[22] Das Kontinuitätsprinzip verneint daher prinzipiell die Möglichkeit von fundamentalen Irrtümern in der Entwicklung der Natur und so auch in der Wissenschaft, sofern diese sich den Prinzipien der Natur nicht widersetzt. Die Natur folgt dem göttlichen ordnenden Plan[23] und ein Wissenschaftler, der sich ihr anschließt, also die Kontinuität fortsetzt, kann zwar auf Umwege geraten, aber nie vollständig in die Irre. So wenigstens die Annahme der englischen Kontinuitätsphysik, ganz im Sinne Leibniz`.
Hermann von Helmholtz (1821-1894) nannte dieses Kontinuitätsprinzip der englischen Physik mit Rückgriff auf Kant das ›Gesetz der Causalität‹. Helmholtz erklärte schon 1847, »dass das Princip der Causalität in der That nichts Anderes ist als die Voraussetzung der Gesetzlichkeit aller Naturerscheinungen«[24]. Es ist ein Wissenschaftsideal, das von der prinzipiellen Erkennbarkeit der Wahrheit der natürlichen Ordnung ausgeht. Die göttliche Ordnung der Natur und der menschliche Geist konstituieren sich idealerweise in Analogie zueinander, sodaß der Fortschritt der Wissenschaft die inhärenten Gesetze ans Tageslicht bringen muß. In diesem Modell hängt es allein von der Exaktheit der Meßinstrumente und der Genauigkeit der Beobachtungen ab, wie nah der Forscher der Wahrheit kommen kann. Das »endliche Ziel der theoretischen Naturwissenschaften« ist bei Helmholtz und kann es wegen des Kausalitäts-Aprioris sein, »die letzten unveränderlichen Ursachen der Vorgänge in der Natur aufzufinden«[25]. Die Physik des 19. Jahrhunderts sucht nach dem Absoluten, nach der letzten Wahrheit, dem universalen Gesetz, wie es sich aus einer Kontinuums-Kette des Kausalen ergeben sollte.
Sowenig man den Vortizisten oder auch Pound im eigentlichen Sinn naturwissenschaftliche Fachinteressen unterstellen mag, so sehr verbindet sich doch die vortizistische Suche nach einer von Pound so benannten ›primary expression‹[26] mit dem wissenschaftlichen Pathos der Findung eines universalen Naturgesetzes in der zeitgenössischen Physik. Die Vortizisten, und ihnen voran Pound, suchen nach dem ›primary pigment‹, dem Urstoff, sie wollen eine Art von ›grand unified theory‹[27] für die Kunst finden. In diesem Zusammenhang kann auch die New York Times im August 1914 schreiben[28]:
    What is Vorticism? Well, like Futurism, and Imagisme, and Cubism, essentially it is nonsense. But it is more important than these other fantastic, artistic, and literary movements because it is their sure conclusion.[29]
Den ›nonsense‹ überhörend, wäre das der Wunsch der Vortizisten gewesen, das Ideal-Ziel Pounds: die Konklusion der modernen Kunstbewegungen zu sein und damit schlicht -- die Übereinstimmung mit dem Absoluten erreicht zu haben.
Vorerst aber zurück zu den physikalischen Grundbegriffen des 19. Jahrhunderts, die uns zu ihrem zeitgenössischen Zentralkonzept führen werden, dem Vortex. Der Vortex nämlich gehört, wie Saleeby sehr zutreffend referiert, in den Rahmen einer zweiten fundamentalen Voraussetzung der viktorianischen Physik, zur Annahme der Existenz eines Äthers, um nicht zu sagen: er ist ihr Schlüsselelement.

 

Äther

Was heute nur noch als Metapher für das Medium von Radiowellen gebraucht wird (oder -- in ganz anderem Sinne -- als chemischer Terminus technicus), war über Jahrhunderte hinweg ein physikalischer Begriff. Der Äther hatte eine überragend zentrale Funktion im vom Kontinuitätsprinzip bestimmten physikalischen Weltbild. Auf die angeblich wiederum schon von Aristoteles überlieferte Behauptung von »Nature's abhorrence of a vacuum«[30] [horror vacui] bezieht sich auch Leibniz, wenn er schreibt:

    Wie aber, nach meiner Ansicht, eine vollkommene Kontinuität in der Ordnung des zeitlich Aufeinanderfolgenden herrscht, so herrscht auch etwas Entsprechendes in der Ordnung des Gleichzeitigen; dank ihrer ist das Universum durchgehend erfüllt, und die leeren Räume sind in das Reich der Träume zu verweisen.[31]
Während Leibniz sich aber, zumindest an dieser Stelle, nicht eindeutig darüber ausläßt, was es denn sein sollte, das diese nicht-leeren Räume füllt, ist es in der Physik des 19. Jahrhunderts ganz klar: das Kontinuitätsprinzip und ›sein‹ Stoff, der Äther, gehören zusammen. Ein Vakuum wäre leer, nichts, ein Bruch der kontinuierlichen Vollständigkeit des Universums. Deshalb muß es etwas geben, was diese große Leere des Weltalls ausfüllt, und genau das ist der Äther.
Die englische Physik des 19. Jahrhunderts verstand unter Äther, oder auch Lichtäther [luminiferous ether], wie von Saleeby sehr richtig referiert, einen allesdurchdringenden, gleichzeitig unendlich dichten und unendlich feinen Stoff, der Eigenschaften eines Festkörpers hat (um eben Träger für die transversalen Wellen des Lichts, des Elektromagnetismus und womöglich auch der Gravitation sein zu können), im gleichen Moment jedoch elastisch genug ist, so daß alle Körper sich ohne Widerstand durch ihn hindurch bewegen. Dieser Ätherstoff sollte vermutlich das gesamte Weltall erfüllen, feiner sein als die ponderable, also die wägbare Materie, alle ihr Atome frei durchziehen und zugleich, möglicherweise, ihr Grundbaustoff sein. Noch in seinem Todesjahr 1907 schrieb Lord Kelvin: »There is no difficulty in this conception of an utterly homogeneous elastic solid, occupying the whole of space from infinity to infinity in every direction.«[32] Die Existenz dieses so beschriebenen Äthers wurde mehr oder weniger fraglos unterstellt, aufgefunden oder experimentell nachgewiesen wurde er nie, auch wenn es nicht an vehementen Versuchen dazu gefehlt hat.[33]
Sir Oliver Lodge, der englische Physiker, der noch heute dafür berühmt ist, mit dem ›Kohärer‹ das wichtigste und für die Radioentwicklung entscheidende erste Empfangsgerät von Radiowellen in die Welt gesetzt zu haben, gibt in den 1890er Jahren seine Definition des Äthers:
    Eine einzige Substanz, ununterbrochen und allen Raum erfüllend, die als Licht Schwingungen vollführt, die in positive und negative Elektrizität sich spalten kann, als Wirbel die Materie bildet und durch Kontinuität, nicht durch Stoss, jede Wirkung und Gegenwirkung, deren die Materie fähig ist, weiter trägt: dieses ist die heutige Ansicht von dem Aether und seinen Funktionen.[34]
Was Lodge hier so kurz und salopp zusammenfaßt, hatte James Clerk Maxwell 1875 in seinem Artikel Ether[35] für die 9. bzw. 10. Auflage[36] der Encyclopædia Britannica, die in Umfang und Erklärungstiefe bis heute als eine der wichtigsten Editionen gilt, mit Sicherheit in jeder College-Bibliothek stand und somit auch Pound zur Verfügung gestanden hat, ausführlich dargestellt.
Maxwell beschreibt, welche physikalischen Phänomene nicht anders als durch die Existenz eines Äthers zu erklären seien und welche Funktion der Äther dabei habe. Er referiert die verschiedenen Theorien über die Konsistenz und die physikalischen Eigenschaften des Äthers wie auch die jeweiligen Beweisversuche, die jedoch nur ›negative results‹ hervorbrachten. Der Äther sollte Eigenschaften einer idealen, d.h. reibungsfreien[37], Flüssigkeit von idealer Festigkeit haben, -- für Experimente standen allerdings immer nur reale Flüssigkeiten zur Verfügung, die solcher widersprüchlichen Eigenschaften entbehren, sodaß alle Meßergebnisse bestenfalls Annäherungen sein konnten.
Lord Kelvin unterstreicht 1884 diese geradezu paradoxe Vorstellung vom Äther, indem er ihn einerseits ein ›elastic solid‹ nennt und andererseits erklärt »I move through this ›luminiferous ether‹ as if it were nothing«. Vom Äther bekannt sei lediglich, »that it has the rigidity of a solid and gradually yields. Whether or not it is brittle and cracks we cannot yet tell«.[38] Die Wissenschaftler haben Probleme mit diesem Medium, das, um keinem bekannten physikalischen Experiment zu widersprechen, die scheinbar unvereinbarsten Eigenschaften in sich vereinen muß. »The whole question of the state of the luminiferous medium near the earth, and of its connexion with gross matter, is very far as yet from being settled by experiment,«[39] wie Maxwell konstatiert. Trotz all dieser Schwierigkeiten beim Nachweis des Äthers oder seiner Beschreibung kann es für Maxwell jedoch genauso wenig wie für Kelvin einen Zweifel an dessen Existenz geben:
    Whatever difficulties we may have in forming a consistent idea of the constitution of the æther, there can be no doubt that the interplanetary and interstellar spaces are not empty, but are occupied by a material substance or body, which is certainly the largest, and probably the most uniform body of which we have any knowledge.[40]
Die von Lodge in seiner weiter oben zitierten Ätherdefinition aus den 1890er Jahren postulierten Wirbel, welche die Materie bilden, gehörten 1875 noch nicht zum allgemein anerkannten wissenschaftlichen Äthermodell. Sie bilden gleichsam das avantgardistische Frontend der zeitgenössischen Physik um die Jahrhundertwende. Maxwell referiert die damals noch umstrittene Theorie Kelvins zum Vortex-Atommodell in seinem Artikel zum Atom als eine unter mehreren, hält sie aber offensichtlich für am besten geeignet, einer Lösung des zentralen Problems der Gravitation näher zu kommen:
We have devoted more space to this theory than it seems to deserve, because it is ingenious, and because it is the only theory of the cause of gravitation which has been so far developed as to be capable of being attacked and defended.[41]
Diese von Kelvin 1867 formulierte Theorie vom »Vortex«-Atom setzte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer klarer durch und wurde mit Hilfe der Forschungen von J. J. Thomson, die zur Entdeckung des Elektrons führten, zum Ausgangspunkt der ersten Atommodelle des zwanzigsten Jahrhunderts von Ernest Rutherford und Niels Bohr. Die Grundlage und Voraussetzung für Kelvins Überlegungen war die von Hermann von Helmholtz 1858 entworfene Theorie der Wirbelbewegungen in idealen Flüssigkeiten.

 

Wirbelbewegung in idealen Flüssigkeiten

Hermann von Helmholtz muß auf Ezra Pound einen großen Eindruck gemacht haben, auch wenn Pound nirgendwo eine seiner Arbeiten explizit zitiert. Im Jahre 1914 aber, dem Jahr der Namensgebung der Vortizisten, veröffentlicht Pound mehrere Aufsätze unter dem Pseudonym der beiden ununterscheidbaren Brüder ›Bastien und Baptiste von Helmholtz‹. Diese Namen zeigen Pounds Bekanntheit mit Helmholtz, selbst wenn sich Pound in den so publizierten Essays nicht mit wissenschaftlichen Themen befaßte, sondern mit einer merkwürdigen Art von Gesellschafts- und Kulturkritik. Soweit ich sehe und wie auch in der Pound-Literatur bestätigt wird, sind es jedoch die einzigen (von vielen) Pseudonymen Pounds, die ein reales Vorbild hatten.
Hermann von Helmholtz, zunächst Militärarzt, dann Anatomieprofessor, Erfinder des Augenspiegels, der ihn berühmt machte, Autor von Standardwerken über die Augenheilkunde und die Lehre von den Tonempfindungen, später Physiker und Begründer der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin, war bekannt gewesen für seine weitgefächerten Interessen, seine fachübergreifenden Arbeiten. Helmholtz` Forschungsergebnisse waren ihrer Zeit oft so weit voraus, daß er bei deutschen Fach-Kollegen oft genug auf Unverständnis stieß. Mag sein, daß er schon damit ein ideales Rollenvorbild für Ezra Pound abgeben konnte, sowohl »for the interdisciplinary, polymathic approach (...) that Pound admired in all branches of learning«, wie auch »for the figure of a man isolated from his contemporaries by his distance from the mainstream of current thought.«[42] Mit seiner experimentellen vergleichenden Arbeitsweise setzte sich Helmholtz von der Metaphysik der deutschen Naturphilosophie ab und suchte statt dessen engen Anschluß an die englische viktorianische Physik.
Als er 1870 endlich seinen ersten Lehrstuhl für Physik in Berlin antreten konnte (zu dessen Gunsten er eine Professur im englischen Cambridge ausschlug), macht Helmholtz bewußte Physikpolitik mit der Übersetzung eines Buches, das er fortan als grundlegendes Lehrbuch verwendet: Die von Helmholtz verantwortete deutsche Übersetzung von A Treatise on Natural Philosophy -- im Original 1867 von William Thomson, der damals gerade zum Lord Kelvin geadelt worden war, und seinem Kollegen Peter Guthrie Tait veröffentlicht -- erschien 1871-1874 unter dem Titel Handbuch der theoretischen Physik und erregte sofort heftigen Widerspruch unter den naturphilosophisch orientierten deutschen Physikern wie Wilhelm Weber und Friedrich Zöllner, die Helmholtz, zumal in Zeiten, da das politische Verhältnis zwischen England und Deutschland alles andere als einfach und freundschaftlich war, für einen Nestbeschmutzer hielten. Hierin mag wiederum Pound als Amerikaner, der immer wieder heftig mit amerikanischen Vorstellungen in Konflikt geriet, eine Verwandtschaft gespürt haben.
Helmholtz, der sich der viktorianischen Physik so verbunden fühlte, hatte seinerseits im Gegenzug einen großen Einfluß auf die englischen Physiker. Noch 1925 begeisterte sich der bereits erwähnte Oliver Lodge über »the exceeding brilliance and wide scope of the 1847 thesis of Helmholtz on the Conservation of Energy« und »that epoch-making paper on Vortex theory, which may be said to have initiated modern hydrodynamics«[43]. Jene Helmholtzsche Schrift Über Wirbelbewegungen[44] von 1858 war allerdings nicht nur der Ausgangspunkt für eine moderne Hydrodynamik, sondern auch für neue Theorien über die Qualität und die Eigenschaften des Äthers, der, wie bereits angesprochen, modellhaft als eine ideale Flüssigkeit betrachtet wurde. Ohne Helmholtz, ob Pound das nun wußte, oder nicht, hätte der Vortex-Begriff jedenfalls niemals den zentralen Platz in der englischen Physik der Jahrhundertwende bekommen können, von dem Pound ihn abholte.
In seiner Wirbel-Schrift 1858, die übrigens Peter Guthrie Tait ins Englische übersetzte, untersucht Helmholtz mathematisch die Teilchenbewegung in einer idealen, d.h. reibungsfreien Flüssigkeit ohne Geschwindigkeitspotential. Natürlich handelte es sich nicht um eine experimentelle Untersuchung, denn es gibt im Experiment[45] keine Reibungsfreiheit, sondern um die Entwicklung mathematischer Modelle, mit denen eine modellhaft als reibungsfrei angenommene Flüssigkeit beschrieben werden kann. Helmholtz` entscheidende Neuerung sei hier in den Worten von Albert Wangerin, dem Herausgeber seiner Hydrodynamischen Schriften von 1896, zitiert:

    Helmholtz [hat] der Hydrodynamik neue Gebiete erschlossen und uns Bewegungen der Flüssigkeiten kennen gelehrt, die vorher nicht bekannt waren. Während man bis dahin fast nur solche Probleme der Hydrodynamik behandelt hatte, bei denen ein Geschwindigkeitspotential existirt, untersuchte Helmholtz [...] als Erster allgemein die Formen der Flüssigkeitsbewegung, die eintreten, wenn kein Geschwindigkeitspotential existirt.[46]
Die Theorie der Potentiale zu erörtern, würde an dieser Stelle zu weit führen. In den meisten Fällen, wo eine Flüssigkeit sich in Bewegung befindet, ist jedenfalls ein Geschwindigkeitspotential vorhanden, und, wie Helmholtz schreibt, »auch bei weitem die meisten mathematisch zu behandelnden Fälle von Flüssigkeitsbewegung [fallen] in die Zahl derer, bei denen ein Geschwindigkeitspotential existirt«. Er benennt jedoch sogleich eine Ausnahme, auf die schon Euler aufmerksam gemacht habe, nämlich »die Drehung einer Flüssigkeit um eine Axe mit gleicher Winkelgeschwindigkeit aller Theilchen«[47], bei der trotz Bewegung kein Geschwindigkeitspotential auftritt. Eingedenk dieser Besonderheit schließt Helmholtz eine Annahme, nämlich die eines Geschwindigkeitspotentials, die vorher bei fast allen hydrodynamischen Untersuchungen vorausgesetzt wurde, aus und eröffnete auf diese Weise der gesamten Hydrodynamik die von Wangerin erwähnten neuen Gebiete, da sich das Verhalten einer Flüssigkeit ohne Geschwindigkeitspotential grundsätzlich von derjenigen mit einem solchen unterscheidet.
Die ersten Erkenntnisse, die Helmholtz am Beispiel der »Veränderung, welche irgend ein unendlich kleines Wasservolum in dem Zeittheilchen dt erleidet«[48], mathematisch deduziert, sind die beiden folgenden: »Die Existenz eines Geschwindigkeitspotentials schliesst die Existenz von Rotationsbewegungen der Wassertheilchen aus.«[49] »Nur in dem Falle, wo kein Geschwindigkeitspotential existirt, können Drehungen der Wassertheilchen, und in sich zurücklaufende Bewegungen« vorkommen. D.h. nur unter der von Helmholtz neu eingeführten Bedingung, daß eine Flüssigkeit kein Geschwindigkeitspotential hat, rotieren ihre kleinsten Teilchen ›frei‹. Und er leitet daraus die Definition einer wirbelförmigen Bewegung ab: »Wir können daher die Bewegungen, denen ein Geschwindigkeitspotential nicht zukommt, im Allgemeinen als Wirbelbewegungen charakterisieren.«[50] Die Wirbelbewegung der einzelnen Teilchen in einer entsprechenden Flüssigkeit ohne Reibung bleibt darüber hinaus konstant:
    Diejenigen Wassertheilchen also, welche nicht schon Rotationsbewegungen haben, bekommen auch im Verlaufe der Zeit keine Rotationsbewegungen.[51]
Die rotierenden Teilchen dagegen werden immer weiter rotieren und sie bilden dabei sogenannte ›Wirbellinien‹, um die sich die Teilchen drehen. Eine Wirbellinie ist eine Verbindungslinie von zwei oder mehreren Flüssigkeitsteilchen, »deren Richtung überall mit der Richtung der augenblicklichen Rotationsaxe der dort befindlichen Wassertheilchen zusammentrifft« und sie bleibt immer »aus denselben Wassertheilchen zusammengesetzt, während sie mit diesen Wassertheilchen in der Flüssigkeit fortschwimmt«. Mehrere dieser Wirbellinien setzen sich schließlich zu Wirbelfäden zusammen:
    Denken wir uns durch alle Punkte des Umfangs einer unendlich kleinen Fläche Wirbellinien gelegt, so wird dadurch aus der Flüssigkeit ein Faden von unendlich kleinem Querschnitt herausgetheilt, der Wirbelfaden genannt werden soll.[52]
Ein Wirbelfaden muß somit als ein schlauchförmiges Gebilde vorgestellt werden, dessen Schlauchhülle aber nicht homogen, sondern aus unendlich vielen Wirbellinien, die unendlich dicht nebeneinander liegen, zusammengesetzt ist. Aus weiteren Berechnungen dieses Schlauchfadens schließt Helmholtz,
    dass ein Wirbelfaden nirgends innerhalb der Flüssigkeit aufhören dürfe, sondern entweder ringförmig innerhalb der Flüssigkeit in sich zurücklaufen, oder bis an die Grenzen der Flüssigkeit reichen müsse.[53]
Helmholtz` englischer Kollege Maxwell drückt diese Eigenschaft der Wirbelfäden, die sie so geeignet machen für ihre Rolle im Äthermodell, geradezu poetisch aus: »If the fluid is infinite the vortex tube[54] must be infinite, or else it must return into itself.«[55] Die in sich zurücklaufenden Wirbelfäden nennt Helmholtz Wirbelringe[56].
Die mathematisch-physikalische Wirbeltheorie besagt also: Teilchen, die in Bewegung sind, bleiben nicht nur in Bewegung, sondern bilden zudem eine mathematisch beschreibbare Struktur der Bewegung, während alle übrigen Teilchen in Ruhe bleiben, natürlich immer unter der Annahme, daß jegliche Reibung ausgeschlossen ist. Die in schlauchartige, torusförmige Wirbelfäden strukturierte bewegte Materie ist innerhalb der Flüssigkeit vom umliegenden Stoff isoliert. Unter den gegebenen Umständen bleiben die Wirbelteilchen immer isoliert und unteilbar, weil ein Wirbelfaden nur in sich selbst oder an den Grenzen der Flüssigkeit enden kann. So hat die in ihm enthaltene Flüssigkeit keine Kontaktmöglichkeit zum sie umgebenden Stoff. Ein englischer Helmholtz-Leser und Mathematiker faßte es zusammen: »A vortex-ring may move from place to place, but it carries with it the liquid of which it is composed, never leaving any particle behind, and never taking up any particle from the surrounding liquid.«[57] Die Helmholtzschen Wirbel existieren somit unzerstörbar und sind also in der ganzen liquiden Instabilität einer Flüssigkeit so unverwüstlich, wie es der härteste Festkörper kaum sein könnte.
Damit war in einer idealen Flüssigkeit ein Element definiert, dem das physikalische Verhalten eines Festkörpers zu attestieren war und das machte diese Theorie so besonders interessant für William Thomson (Lord Kelvin), den der besagte Widerspruch beschäftigte, wie sich im Äther, einer idealen Flüssigkeit, transversale Stoßwellen sollten fortbewegen können -- wie die elektromagnetischen und die des Lichts --, die mathematisch und physikalisch extrem feste Körper voraussetzen. Die ideale ›Festigkeit‹ von Wirbelringen in idealer Flüssigkeit, wie Helmholtz sie definiert, schafft hierfür jetzt die mathematischen Lösungsbedingungen. Ausgehend von Helmholtz` Wirbeltext entwickelte William Thomson (Lord Kelvin) sein Äther-Vortex-Atommodell.

 

Das Viktorianische Atommodell [58]

Hermann (von) Helmholtz und William Thomson (später Lord Kelvin) trafen zum ersten Mal im August 1855 zusammen. Beide am Beginn ihrer Dreißiger, hatten sie sich durch ihre Veröffentlichungen jeweils schon einen Namen gemacht und Helmholtz drückt in einem Brief an seine Frau eine gewisse anfängliche Irritation über den drei Jahre jüngeren Thomson aus:

    Ich erwartete, in ihm, der einer der ersten mathematischen Physiker Europas ist, einen Mann, etwas älter als ich selbst, zu finden, und war nicht wenig erstaunt, als mir ein sehr jugendlicher hellblondester Jüngling von ganz mädchenhaftem Aussehen entgegentrat.
Die Verwunderung wich allerdings schnell einem intensiven wissenschaftlichen Austausch, der bei Helmholtz einen großen Eindruck hinterläßt. Im Brief an seine Frau fährt er fort:
    Er übertrifft übrigens alle wissenschaftlichen Größen, welche ich persönlich kennen gelernt habe, an Scharfsinn, Klarheit und Beweglichkeit des Geistes, so daß ich selbst mir stellenweise neben ihm etwas stumpfsinnig erscheine.[59]
Aus diesem ersten Treffen 1855 in Bad Kreuznach, wo sich Thomson mit seiner Frau zur Kur aufhielt, entwickelten sich andauernde persönliche und wissenschaftliche Kontakte. »Engste Freundschaft und grösste gegenseitige Verehrung verband nahezu 40 Jahre hindurch die grossen Forscher, bis der Tod sie trennte«[60], schreibt der Helmholtz-Biograph Leo Koenigsberger.
1858 -- als Helmholtz seinen Wirbel-Artikel veröffentlichte -- und in den darauf folgenden Jahren war William Thomson mit dem Problem der Verlegung der englischen Seekabel[61] vollständig ausgelastet. Nachdem die englische Flotte die Weltmeere unter ihre Kontrolle gebracht und ein Kolonialreich errichtet hatte, mußte dieses beherrscht und verwaltet werden. Genau dies war der wesentliche Antrieb bei der Errichtung eines weltweiten Telegrafensystems -- ein Unternehmen, das einen seiner Höhepunkte 1866 erlebte, als es mit Kelvins Unterstützung endlich gelang, das erste transatlantische Telegrafenkabel und damit den Grundstein zum späteren »all red cable«[62] zu legen, das die Welt umspannen sollte.
Als nun das erste funktionierende transatlantische Kabel 1866 gelegt war, welches Thomson zum Dank den Adelstitel des Lord Kelvin of Largs und eine großzügige lebenslange Apanage einbrachte, begann er, in seiner wissenschaftlichen Arbeit an die Themen anzuschließen, die er zugunsten des Kabels zurückgestellt hatte. Ein wichtiges Werk war, gemeinsam mit Tait, die Herausgabe des Lehrbuches Elements of natural philosophy, das 1867 endlich erschien.
Das allernächste Interesse Kelvins war danach nicht mehr nur darauf gerichtet, ein Medium -- das Meer und seinen Einfluß auf stromdurchflossene Leiter -- zu beherrschen, sondern es ging ihm um das Medium aller Materien schlechthin, den Äther. Kelvin entwickelt -- im Anschluß an Helmholtz -- Gleichungen, mit Hilfe derer er das unsichtbarste, ungreifbarste, unfühlbarste, unwägbarste Gespinst der Physikgeschichte zur Grundlage des gesamten Universums erklären kann. Sein Scharnier dafür wird der Vortex, den er Helmholtz verdankt, und er berichtet seinem deutschen Kollegen im Januar 1867:
    From the beginning of this session I have been hard at work on various matters which I had to set aside on account of the Atlantic. Among other things, the book by Tait and myself has suffered great delay. The last sheets are now in the printers hand, and a few weeks at most will I think bring it out. [...] Just now however, Wirbelbewegungen have displaced every thing else, since a few days ago Tait shows me in Edinburgh a magnificent way of producing them.[63]
Die ›aufregende‹ Vorrichtung zur Produktion der Rauchringe ist für jedermann leicht nachzubauen: von einer Kiste entfernt man an einer Seite eine Wand und befestigt statt ihrer einen lose angepaßten möglichst festen Stoff; auf der gegenüberliegenden Seite wird ein nicht zu kleines Loch gebohrt und in die gesamte Apparatur eine rauchproduzierende Substanz hineingebracht. Bei geeigneter Bewegung des Stoffes »you will see a magnificent ring shot out by every blow«[64].

Entstehung eines Rauchringes Fortbewegung eines Rauchringes

Schnitt durch einen Rauchring

 

William Thomson ist begeistert von den Perspektiven, die sich in seiner Überlegung aus Helmholtzens Wirbeln entwerfen lassen:
    The absolute permanence of the rotation and the unchangeable relation you have proved between it and the portion of the fluid once acquiring such motion, in a perfect fluid, shows that if there is a perfect fluid all through space, constituting the substance of all matter, a vortex ring would be as permanent as the solid hard atoms assumed by Lucretius and his followers.[65]
Im Juli 1868 berichtet er Helmholtz: »All my spare time is now spent on ›Wirbel-bewegung‹«[66] und im September desselben Jahres: »I am very busy now writing a paper on vortex motion for the R.S.E. [Royal Society of Edinburgh] which will soon be printed«[67]. On Vortex Atoms erschien im Band VI (1867) der Proceedings of the Royal Society of Edinburgh und wurde noch im selben Jahr im Philosophical Magazine[68] (Band XXXIV) erneut abgedruckt. Thomson eröffnet mit den hypothetischen Behauptungen, »that Helmholtz's rings are the only true atoms« und »all bodies are composed of vortex atoms in a perfect homogeneous liquid«[69], als das der Äther vorgestellt wurde.
Das Atom galt damals selbstredend als kleinste Einheit der Materie. Maxwell beginnt seinen Artikel zum Atom für die 9. Auflage der Encyclopædia Britannica mit dem fraglosen Satz: »ATOM (...) is a body which cannot be cut in two.«[70] Nach allen zu dieser Zeit bekannten Experimenten der Physik mußte das Atom unzerstörbar sein, eine definierte Masse haben und sich auf eine festgelegte Weise in Schwingung befinden. Ein Vortexring in einer idealen Flüssigkeit aber ist laut Helmholtz unzerstörbar, hat eine definierte Masse und definierte Schwingungsraten. Was also lag näher, als, wie von William Thomson vorgeschlagen, anzunehmen, daß Atome Wirbelringe im Äther seien, wenn doch ihre grundlegenden Eigenschaften als identisch betrachtet werden konnten. Die verschiedenen Eigenschaften der unterschiedlichen Atome erklärte Thomson mit der Annahme, daß es verschiedene Wirbelformen gibt, zum einen »a single wire knotted in various ways«, zum anderen zwei oder sogar mehrere »approximately equal vortex rings passing through one another like two links of a chain«[71]. In seinem 1869 veröffentlichten Aufsatz On Vortex Motion publizierte William Thomson Beispiele für mögliche Wirbelknoten.[72]

 

Beispiele fuer Wirbelknoten (nach William Thomson/Lord Kelvin)
Die Vorstellung des Vortex-Atommodells basiert also auf der Existenz des Äthers und implizierte die geradezu phantastische Pointe, daß Materie und Äther prinzipiell aus dem gleichen Stoff bestehen, welcher sich nur dadurch unterscheidet, in welchem Bewegungszustand er sich befindet. Das hieße, allein die Wirbelbewegung macht aus einem imponderablen Äther ponderable Materieteilchen, die der Gravitation unterliegen; und auch der Grad der Härte oder Elastizität fester Körper würde allein durch »the very rapid motion of something which is infinitely soft and yielding«[73] bestimmt. Vortex-Bewegungen wären somit der Anfang aller Dinge.
Gleichzeitig vereinigt die Vortex-Atomtheorie »die Anschauung von der Continuität der Materie mit der atomistischen Hypothese«[74]. Während nämlich die ›Atomisten‹ von zwar extrem kleinen, aber letztlich unteilbaren Bestandteilen der Materie ausgingen, waren »the advocates of the continuity of matter« der Meinung, »that the smallest conceivable body has parts, and that whatever has parts may be divided«[75]. Im Vortex-Atommodell nun verbinden sich beide Ansichten: Das Atom ist aus dem kontinuierlichen Medium Äther gebildet, in seiner Wirbelstruktur aber trotzdem unzerstörbar.
Diese Vereinigung von Äther und Atom, die gleichsam zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt, nämlich das Allergrößte und Allerkleinste zugleich zu erklären, symbolisiert den wahrhaft imperialen Anspruch der viktorianischen Physik. Es ist ihr nicht zuvorderst um eine neue Atomtheorie zu tun, sondern es soll in ihr und mit ihr ihre universelle Bedeutung und Geltung zugleich mit erklärt werden. Das große Ansehen, das die englischen Naturwissenschaften, und ganz speziell die viktorianische Physik am Ende des 19. Jahrhunderts genossen, hängt nicht zuletzt an dieser Behauptung, die innersten und endgültigen Zusammenhänge der Welt und des Lebens erklären zu können, ganz parallel zum Machtanspruch des englischen Empire, die Zusammenhänge der Welt unter seine politische Leitung zu stellen.
Die Vortex-Atomtheorie wurde schon bald nicht nur in den verborgenen Zirkeln einiger Physiker diskutiert, sondern schwappte über in einen mehr oder minder populären Wissensdiskurs, wie er sich beispielsweise in dem oben zitierten Artikel von C. W. Saleeby aus Harper's Magazine artikuliert. Die Themen wurden allgemein-philosophisch aufgeladen, populärwissenschaftlich aufbereitet und erreichten so die interessierten Laien. Ja, die populäre Bedeutung dieser Theorie überwog die wissenschaftliche bei weitem, denn das Vortex-Atom löste kein einziges bestehendes physikalisches Problem. Vielmehr lieferte der Vortex ein Modell für eine Hypothese (nämlich die von der Existenz eines Äthers), die ihrerseits niemals bewiesen werden konnte.
Ganz im Gegenteil: Einer der wichtigsten aber ebenso erfolglosen Versuche, den Äther nachzuweisen, führte schließlich zu seiner vollständigen Abschaffung. Um das fehlgeschlagene Michelson-Morley-Experiment zum Nachweis einer Ätherdrift so zu interpretieren, daß trotz des Negativ-Ergebnisses die Existenz eines Äthers angenommen werden konnte, entwarf der holländische Physiker Hendrik Lorentz 1904 die nach ihm benannte Lorentz-Transformation. Die dabei entwickelten Gleichungen verwendete Einstein für sein Konzept der speziellen Relativitätstheorie im Jahre 1905.[76] Bis zur Durchsetzung der Relativitätstheorie innerhalb der Physik, und erst recht außerhalb, dauerte es gleichwohl an die zwei Jahrzehnte. Bis zum ersten Weltkrieg jedenfalls war zumal die englische Physik und die sich daran anschließende Populärliteratur vom Äther-Vortex-Atommodell vollständig dominiert.
Zu den erfolgreichsten und zugleich prägendsten Büchern dieser Machart gehören zwei Veröffentlichungen, die jeweils von anerkannten Fach-Wissenschaftlern geschrieben waren, aber ihrerseits tiefgehende Fragen von allgemein-philosophischem Charakter aufwarfen; aus heutiger Sicht münden sie in einer Art wissenschaftlichem Spiritismus: The Unseen Universe (1875) von Kelvins Kollegen Peter Guthrie Tait und Balfour Stewart und fast dreißig Jahre später Charles Howard Hintons The Fourth Dimension (1904), wobei in letzterem die Vortex-Atome nur noch eine marginale Rolle spielen. Den großen Einfluß des englischen Mathematikers Hinton auf die kubistischen Maler hat Linda Dalrymple Henderson in ihrem Buch The Fourth Dimension and Non-Euclidean Geometry in Modern Art nachgewiesen.[77] The Unseen Universe ist im Zusammenhang mit den Vortizisten noch interessanter, da darin eine ganz eigene Wirbeltheorie zum zentralen Argument wird, und es soll deshalb im Folgenden einer Lektüre unterzogen werden.

The Unseen Universe

Maxwell selbst verweist am Ende seines Artikels über Äther für die Encyclopædia Britannica auf dieses damals für alle Welt allgemeinverständlich geschriebene Buch. The Unseen Universe war 1875 ganz frisch erschienen und die Autoren hüllten sich noch in den Mantel der Anonymität, den sie erst mit der vierten Auflage (die allerdings schon im darauf folgenden Jahr erschien) ablegen sollten. Maxwell war ihre Identität jedoch bekannt, da es sich um nahe Kollegen und Freunde handelte und sie zudem in ihrem Buch ihrerseits auf Maxwells Britannica-Artikel verweisen[78], der ebenfalls 1875 publiziert wurde, sodaß offensichtlich schon zuvor die Manuskripte ausgetauscht worden sein müssen.
Maxwell beschließt seinen Enzyklopädie-Artikel über den Äther mit folgenden Erwägungen:

    Whether this vast homogeneous expanse of isotropic matter is fitted not only to be a medium of physical interaction between distant bodies, and to fulfil other physical functions of which, perhaps, we have as yet no conception, but also, as the authors of the Unseen Universe seem to suggest, to constitute the material organism of beings exercising functions of life and mind as high or higher than ours are at present, is a question far transcending the limits of physical speculation.[79]
Die Frage nach der Existenz höherer Wesen im Äther mag die Grenzen physikalischer Spekulation übersteigen, nicht jedoch die Grenzen der Spekulation von Physikern. Es erschien im 19. Jahrhundert nicht ungewöhnlich, physikalische Problemstellungen auf eine philosophisch verallgemeinerte Ebene zu transponieren; die Art und Weise, in der das in The Unseen Universe getan wurde, erregte gleichwohl Aufmerksamkeit, unter Laien ebenso, wie unter Fachkollegen. The Unseen Universe ist im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit interessant, weil es unter anderem vorführt, wie die Vortex-Atomtheorie auf einen Bereich appliziert werden kann, der von der wissenschaftlichen Physik ähnlich weit entfernt ist wie die Kunst der Vortizisten. Die beiden Autoren des Unseen Universe bieten gewissermaßen an, daß andere sich an sie anschließen, im Sinne der Kontinuität, des Kontinuums. Warum also sollte Pound diese Hand nicht ergriffen haben, die die Physik selbst ihm darreichte?
The Unseen Universe, or, Physical speculations on a future state, wie der vollständige Titel des Buches lautet, war zwar allgemeinverständlich geschrieben, ruhte aber -- wie bei den beiden Autoren nicht anders zu erwarten -- auf einer soliden Basis des damaligen physikalischen Wissens. Es erschien anfangs anonym und wurde sofort nach seinem Erscheinen zum Bestseller. Erst mit der 4. Auflage 1876 gaben sich die beiden Autoren zu erkennen, was eine weitere Steigerung der Verkaufszahlen zur Folge hatte. Balfour Stewart und Peter Guthrie Tait gehörten, wie bereits angedeutet, zu den bedeutendsten Physikern ihrer Zeit, waren Freunde und wissenschaftliche Weggefährten von James Clerk Maxwell und William Thomson (Lord Kelvin).
Peter Guthrie Tait, der um sieben Jahre jüngere Kollege Kelvins, war, wie dieser, schon in sehr jugendlichem Alter zum Mathematikprofessor berufen worden. Mit 23 Jahren besetzte er 1854 seinen ersten Lehrstuhl am Queen`s College in Belfast. 1860 wurde er, indem er sich bei der Bewerbung gegen Maxwell durchsetzte, Professor für ›Natural Philosophy‹ an der University of Edinburgh und hielt dieser Position -- ähnlich wie Kelvin seiner Professur im nahegelegenen Glasgow -- bis ans Ende seiner Laufbahn die Treue. Tait veröffentlichte Beiträge zur mathematischen Theorie komplexer Zahlensysteme, der sogenannten Quaternionen[80], die für die moderne, heute unvermindert gültige Vektor-Mathematik des Elektromagnetismus die unbedingt notwendigen Fundamente legte. Als enger Freund und Kollege Maxwells, woran auch die Rivalität bei der Stellenbewerbung nichts geändert zu haben schien, hatte Tait entscheidenden Anteil an der Entwicklung von dessen neuartiger Verwendung mathematischer Vektoren. Tait veröffentlichte zudem mit Kelvin gemeinsam das bereits genannte Physiklehrbuch Treatise on Natural Philosophy in zwei Bänden, dasjenige Standardwerk also, mit dem Helmholtz ganz programmatisch seinen Berliner Lehrstuhl bezog. Und Kelvin war es auch, der 1901 Taits Nachruf vor der Royal Society of Edinburgh verlas, in welchem er an eine 41 Jahre währende Freundschaft und Zusammenarbeit erinnert: »After enjoying eighteen years` joint work with Tait on our book, twenty-three years without this tie have given me undiminished pleasure in all my intercourse with him.«[81]
Taits Koautor Balfour Stewart, ein schottischer Meteorologe und Geophysiker, war durch Arbeiten über Erdmagnetismus und Wärmelehre bekannt geworden. Er arbeitete an den Universitäten von Edinburgh und St. Andrews, bevor er 1859 zum Direktor des Kew Observatoriums ernannt wurde. 1862 verhalfen ihm vor allem seine Studien über Wärmestrahlung zu einer Mitgliedschaft in der Londoner Royal Society und 1870 wurde er Physik-Professor am Queen`s College in Manchester. Stewart veröffentlichte neben Werken in seinen physikalischen Spezialgebieten u.a. ein Buch zum seit dem Helmholtzschen Aufsatz[82] zentral diskutierten Thema der Erhaltung der Kraft und zwei Physiklehrbücher. Interessanterweise ist in der aktuellen Online-Ausgabe der Encyclopedia Britannica The Unseen Universe, zu dem er sich anfangs nicht einmal bekennen wollte, die einzige namentlich genannte Veröffentlichung dieses herausragenden Gelehrten. Der Umstand spricht umso mehr für die Bedeutung des Buches, auch wenn sie mehr auf kulturwissenschaftlichem, denn auf physikalischem Gebiet liegen mag.
Mit The Unseen Universe wollten Stewart und Tait eine Debatte auf den Punkt bringen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die wissenschaftliche Community spaltete. Nicht unwesentlich beeinflußt von Charles Darwins Schriften drehte sich der Streit um die Frage, ob die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft mit einem Glauben an Gott vereinbar seien. Analog zu William Thomson, der mit seinem Vortex-Atommodell Atomisten und Anhänger des Kontinuitätsprinzips gleichermaßen befriedigen konnte, wollten nun Stewart und Tait Gottgläubige und Wissenschaftsverfechter auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Denn: »the presumed incompatibility of Science and Religion does not exist«[83], wie die Autoren bereits im Vorwort erklären, vermutlich zur deutlichen Erleichterung vieler damaliger Leser, denen die von Nietzsche wenig später konstatierte Vorstellung, daß Gott tot sei, schlicht unheimlich war.
Wie schon in Kelvins Äther-Konzeption, nimmt auch in Stewarts und Taits Unseen Universe der Vortex eine Schlüsselrolle ein. Die beiden Autoren schließen aus der Wirbeltheorie der Atome, bei der durch Verwirbelung von Äther Materie entstehen soll, die Folgerung, daß nichts dagegen sprechen würde, daß im gleichen Verhältnis, wie Äther zur Materie existiert, noch ein zweiter Äther, der noch viel feiner als der erste sei, existieren könnte. Die Wirbel dieses zweiten Äthers würden dann nicht Materie, sondern einen sogenannten ›spiritual body‹ formen, der ein Organismus des ›unseen universe‹ sei, und, wie es ein Rezensent formulierte, »with whose motions our consciousness is as much connected as it is with our material bodies«[84]. Die Begründung für diese Behauptung ist raffiniert und operiert auf dem höchsten Niveau der Naturwissenschaften der Zeit.
Wenn der Äther eine ideale und somit reibungsfreie Flüssigkeit sei, in der sich nach Helmholtz` Darstellung die Bewegung der Teilchen ohne äußeren Einfluß nicht verändere, so müssen die Ätherwirbel -- das heißt die Materie -- also entweder unendlich existieren oder durch etwas bzw. durch irgendjemanden in ihrer Bewegung irgendwann einmal angeregt worden sein. Stewart und Tait legen ausführlich und anhand wissenschaftlicher Daten dar, warum sie davon ausgehen, daß unser Universum, welches sie das ›visible universe‹ nennen, nicht ewig und unendlich ist, und also irgendwann einen Anfang gehabt haben muß, so wie es auch ein Ende haben wird. Die Wirbel, die nach Thomsons Theorie die Grundlage aller Materie sind, müßten demnach irgendwann angeregt worden sein. Der Auslöser dieses Anstoßes kann, ganz logisch gedacht, nicht Teil der Materie, d.h. des ›visible universe‹ gewesen sein, welches durch ihn erst entstanden ist. Stewart und Tait nennen diese angenommene von außen wirkenden Kraft eine ›intelligent agency‹. Zur Illustration ihrer Vorstellung nutzten sie, wie zuvor Kelvin für seine Atomtheorie die Analogie von Rauchringen:
    Let us begin by supposing an intelligent agent in the present visible universe, -- that is to say a man -- to be developing vortex rings -- smoke-rings, let us imagine. Now, these smoke-rings are found to act upon one another, just as if they were things or existences.[85]
Jeder Rauchring bestehe nun aber aus Unmengen kleinerer Partikel von Luft und Rauch, »each of these particles being the molecules of which the present visible universe is composed«.[86] Diese Moleküle, aus denen die Rauchringe zusammengesetzt wären, seien ungleich kleiner und feiner als die Rauchringe selbst. Und die Moleküle werden unbeschadet weiter existieren, wenn der Rauchring längst vergangen ist. Stewart und Tait führen den Gedanken dieser Vorstellung weiter:
    Just as the smoke-ring was developed out of ordinary molecules, so let us imagine ordinary molecules to be developed as vortex rings out of something much finer and more subtle than themselves.[87]

Soweit bleibt alles vollständig konform mit Kelvins Überlegungen zu Vortex-Atomen. Stewart und Tait gehen in ihrer Spekulation aber noch weiter, denn dieses ›something‹, aus dem die Moleküle gebildet sind, bestehe wiederum aus Vortexringen einer noch viel feineren Substanz etc. ad infinitum. Jede feinere Substanz hat schon länger existiert als die nächstgröbere und wird auch länger als diese weiter existieren. Alles was kleiner ist als Moleküle bzw. Atome, zwischen denen damals noch nicht immer streng unterschieden wurde, gehört nicht mehr zum ›visible‹, sondern zum ›invisible‹ oder eben ›unseen universe‹. So wie ein aus Atomen, die eine Vortexstruktur haben, bestehender Mensch Rauchringe produzieren kann, so kann ein ›intelligent agent‹, der aus einer feineren, für Menschen nicht wahrnehmbaren, Substanz besteht, Vortexringe im Äther produzieren. »In fine, our conclusion is, that the visible universe has been developed by an intelligence resident in the Unseen«[88] und zwar durch einen »creative act«[89], oder wie sie an anderer Stelle schreiben: »an act of creation in time«[90] -- damit Kelvin zitierend, der schon in seiner allerersten Veröffentlichung zu Vortex Atoms geschrieben hatte (ohne allerdings in irgendeiner Weise weiter darauf einzugehen): »To generate or to destroy ›Wirbelbewegung‹ in a perfect fluid can only be an act of creative power.«[91]
Nach einer eingehenden Bibellektüre kommen die beiden Autoren des Unseen Universe zu dem Schluß, daß ihre durch wissenschaftliche Deduktion erlangte Vorstellung eines ›intelligent agents‹ mit dem Bild des christlichen Schöpfergottes korrespondiert: Das biblische Gottesbild »represents that conditioned, yet infinitely powerful developing agent, to which the universe, objectively considered, appears to lead up«[92]. »A Divine Agency«[93] bzw. Gott soll also die für uns sichtbare Welt dadurch geschaffen haben, daß sie bzw. er Wirbel produzierte.
Dieser göttliche Schaffensprozeß, dargestellt in einem der populärsten Bücher aus dem ›Allgemeinwissen‹ ihrer Zeit, führt uns zurück zu den Vortizisten. Wie hatte Ezra Pound an seine Verlobte Dorothy geschrieben? Künstlerische Energie »depends on ones ability to make a vortex«[94]. Auch bei Pound ist die entscheidende Frage: Wer produziert den Wirbel? Für ihn jedoch hat dabei die Frage nach Gott keine Relevanz; statt dessen erklärt er die Fähigkeit, einen Vortex zu produzieren, propagandistisch und programmatisch zugleich zum Zeichen wahren Künstlertums. Aus der Perspektive des Unseen Universe gesehen, erklärt Pound die Kunst zu seiner Religion und setzt den Künstler an Gottes Statt. Etwas weniger überspitzt könnte man sagen, daß Pound den Vortex aus seiner Schlüsselrolle in The Unseen Universe, wo ›Vortex‹ steht für »es gibt Gott«, herausholt und ihn statt dessen zu einer sehr weltlichen Proklamation umdeutet: »es gibt Vortizismus«.

 


 

Fußnoten:

[1] Encyclopedia Britannica (http://www.eb.com)
[2] Vgl. dazu H. D. End to Torment. zit. nach Tryphonopoulos (1992), S. 64.
[3] Harper's Magazine, Dez. 1903, ohne Paginierung.
[4] Harper's Magazine, Dez. 1903, ohne Paginierung.
[5] Saleeby (1905), S. 237-240.
[6] Saleeby (1905), S. 237.
[7] Vgl. m*m`/r2
[8] Lassen wir beiseite, daß Saleeby hier eine irrige, von der Atomphysik des 20. Jahrhunderts widerlegte Annahme macht, nämlich daß das Gravitationsgesetz überhaupt atomare Wirkung entfaltet. Das gegenwärtig gültige Standardmodell der Teilchenphysik schließt solche Annahmen vielmehr aus und verbannt die messbaren Wirkungen der Graviation somit aus dem mikro- in den makrophysikalischen Raum.
[9] Saleeby (1905), S. 238.
[10] Saleeby (1905), S. 238.
[11] Durch J. J. Thomson im Jahre 1895.
[12] Saleeby (1905), S. 239.
[13] Saleeby (1905), S. 240.
[14] Stewart/Tait (1875/1882), S. XII.
[15] Leibniz (1687/1702), S. 227-267.
[16] Leibniz (1687), S. 231.
[17] Leibniz (1687), S. 233.
[18] Leibniz (1687), S. 235.
Leibniz gesteht Ausnahmen dieser »einfachen und abstrakten Prinzipien [...] in den konkreten Phänomenen der Natur« zu, z.B. bei zusammengesetzten Körpern oder beim Beispiel eines winzigen Funkens, der in eine große Pulvermasse fällt. (S. 243)
[19] Leibniz (1702), S. 261.
[20] Cassirer (1902), S. 235.
[21] Stewart/Tait (1875/1882), S. XVI.
[22] Stewart/Tait (1875/1882), S. 86.
[23] ...der natürlich am Grunde der Leibnizschen Theorien steht und von dem im Übrigen auch Albert Einstein noch überzeugt war: »Gott würfelt nicht.«
[24] Helmholtz, Über die Erhaltung der Kraft, 1847, in: Helmholtz (1996), Band 1, S. 53.
[25] Helmholtz, Erhaltung der Kraft, 1847, in: Helmholtz (1996), Band 1, S. 4.
[26] Pound, Vortex, in Blast 1, S. 154.
[27] So werden die bis heute vergeblichen Versuche der Physik genannt, alle ihre Phänomene auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, d.h. mit einer Theorie alle physikalischen Erscheinungen zu erklären. (Vgl. Heilbron (1997), S. 50.)
[28] Möglicherweise von Pound souffliert, der unter Pseudonymen Rezensionen seiner eigenen Bücher veröffentlichte... (Vgl. Carpenter (1988), S. 93: Brief Pounds an seine Eltern über die Publikation von A Lume Spento in Amerika und dessen Rezensionen: »I shall write a few myself & get some one to sign 'em ... these remarks are strictly en famille -- I am to figure always as the modest violet.«)
[29] New York Times, 9. August 1914, section 5, S. 10, zit. nach: Wees (1972), S. 3.
[30] Zit. nach: Maxwell, Ether, 1875, in: Maxwell (1890), Band 2, S. 763.
[31] Leibniz (1702), S. 263.
[32] Thomson, W. [Kelvin], On the Motions of Ether produced by Collisions of Atoms or Molecules, containing or not containing Electrions. 1907, in: Thomson, W. [Kelvin] (1882-1911), Band 6, S. 236.
[33] Vgl. u.a. Maxwell, Ether, 1875, in: Maxwell (1890), Band 2, S. 769-770.
[34] Lodge (1896), S. 325f.
[35] Maxwell, Ether, 1875, in: Maxwell (1890), Band 2, S. 763-775.
[36] Die aktuellste 10. Auflage von 1902-03 war eine um elf Bände erweitere Fassung der 9. Auflage.
[37] »A frictionless fluid is defined as a mass continuously occupying space, whose contiguous portions press on one another everywhere exactly in the direction perpendicular to the surface separating them.« (Thomson, W. [Kelvin], Vortex Motion, 1867, in: Thomson, W. [Kelvin] (1882-1911), Band 4, S. 13.)
[38] Thomson, W. [Kelvin], The Wave Theory of Light, 1884, in: Thomson, W. [Kelvin] (1889-1894), Band 1 S. 327-328.
[39] Maxwell, Ether, 1875, in: Maxwell (1890), Band 2, S. 770.
[40] Maxwell, Ether, 1875, in: Maxwell (1890), Band 2, S. 775.
[41] Maxwell, Atom, 1875, in: Maxwell (1890), Band 2, S. 476.
[42] Bell (1981), S. 160.
[43] Oliver Lodge, zit. nach: Bell (1981), S. 161.
[44] Helmholtz, Über Wirbelbewegungen, 1858, in: Helmholtz (1996), Bd. 79, S. 3-37.
[45] Außer in ›supra-leitenden‹ Umgebungen, die im 19. Jahrhundert allerdings unbekannt waren.
[46] A. Wangerin in: Helmholtz (1996), Bd. 79, S. 52.
[47] Helmholtz, Wirbelbewegungen, 1858, in: Helmholtz (1996), Bd. 79, S. 3-4.
[48] Helmholtz, Wirbelbewegungen, 1858, in: Helmholtz (1996), Bd. 79, S. 8.
[49] Helmholtz, Wirbelbewegungen, 1858, in: Helmholtz (1996), Bd. 79, S. 10.
[50] Helmholtz, Wirbelbewegungen, 1858, in: Helmholtz (1996), Bd. 79, S. 11-12.
[51] Helmholtz, Wirbelbewegungen, 1858, in: Helmholtz (1996), Bd. 79, S. 13.
[52] Helmholtz, Wirbelbewegungen, 1858, in: Helmholtz (1996), Bd. 79, S. 14-15.
[53] Helmholtz, Wirbelbewegungen, 1858, in: Helmholtz (1996), Bd. 79, S. 16.
[54] Helmholtz` Wirbelfädchen wurden zumeist entweder als ›vortex tubes‹ oder als ›vortex filaments‹ ins Englische übersetzt.
[55] Maxwell, Atom, 1875 in: Maxwell (1890), Band 2, S. 470.
[56] Helmholtz, Wirbelbewegungen, 1858, in: Helmholtz (1996), Bd. 79, S. 31ff.
[57] Clifford (1875), S. 783.
[58] Die Bezeichnung ›viktorianisches Atommodell‹ übernehme ich von dem Wissenschaftshistoriker J. L. Heilbron, der es viktorianisch nannte, »because it was British in inspiration and execution, and because it perfectly fit the materialism, clutter, and complacency supposed to have characterized Victoria's reign.« (Heilbron (1997), S. 49.)
[59] Helmholtz an seine Frau, zit. nach Hörz (1995), Bd. 1, S. 11.
[60] Koenigsberger, Leo, zit. nach Hörz (1995), Bd. 1, S. 12.
[61] Vgl. Encyclopedia Britannica (http://www.eb.com) über dieses ›Apollo Projekt‹ des viktorianischen Zeitalters: »The first undersea telegraph cable was laid in 1850 between England and France. The Atlantic was spanned in 1858 between Ireland and Newfoundland, but the cable's insulation failed and it had to be abandoned. The first permanently successful transatlantic cable was laid in 1866, and in the same year another cable, partially laid in 1865, was also completed.« Allerdings war es nicht einfach eine ungenügende Isolierung, sondern die im Wasser um das Kabel entstehenden Induktionsströme, die das Signal so stark dämpften und verrauschten, daß am anderen Ende nur noch ein ›Brei‹ ankam, waren nicht bedacht worden bzw. waren bis dahin unbekannt. William Thomson entwickelte mathematisch-physikalische Methoden, dieses Problem zu beheben.
[62] Auch: ›all red system‹, ›all red routes‹, ›all red line‹ genannt nach der roten Farbe für englisches Gebiet auf den Landkarten; vom Colonial Defence Committee initiiertes strategisches Planungsziel, durch das die Verlegung von submarinen Telegrafenkabeln zwischen den Territorien des britischen Kolonialreiches gefördert wurde, um zu erreichen, daß das britische Empire »would be able to communicate without having to rely on the sufferance of foreign Powers«, wie im Fall der terrestrischen Telegrafenkabel, die oft über fremde Territorien geführt werden mußten und somit im Kriegsfall von Anschlägen bedroht waren. Dieses Ziel war 1911 erreicht, als es durch Marconis Radioentwicklungen schon fast wieder anachronistisch wurde. (Vgl. hierzu: Kennedy (1979), S. 75-98.)
[63] Thomson, W. [Kelvin] an H. Helmholtz, 22. Jan. 1867, zit nach: Hörz (1995), Bd. 2, S. 29-30.
[64] Thomson, W. [Kelvin] an Helmholtz, 22. Jan. 1867, zit nach: Hörz (1995), Bd. 2, S. 30.
[65] Thomson, W. [Kelvin] an Helmholtz, 22. Jan. 1867, zit nach: Hörz (1995), Bd. 2, S. 31.
[66] Thomson, W. [Kelvin] an Helmholtz, 24. Juli 1868, zit nach: Hörz (1995), Bd. 2, S. 33.
[67] Thomson, W. [Kelvin] an Helmholtz, 3. Sept. 1868, zit nach: Hörz (1995), Bd. 2, S. 35.
[68] The London, Edinburgh, and Dublin philosophical magazine and journal of science [= vollständiger Name] war damals die wichtigste englischsprachige Wissenschaftszeitschrift, vor allem auf dem Gebiet der Physik. Die Fortsetzung, The Philosophical Magazine, ermöglicht seit 1949 mit ihrem Untertitel eine genauere inhaltliche Zuordnung: a journal of theoretical, experimental and applied physics.
[69] Thomson, W. [Kelvin], Vortex Atoms, 1867, in: Thomson, W. [Kelvin] (1882-1911), Band 4, S. 1-2.
[70] Maxwell, Atom, 1875, in: Maxwell (1890), Band 2, S. 445.
[71] Thomson, W. [Kelvin], Vortex Atoms, 1867, in: Thomson, W. [Kelvin] (1882-1911), Band 4, S. 5.
[72] Und Tait »published tables of Knots as part of Thomson's theory of molecules as vortices in the ether«. Vgl. http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/~history/Mathematicians/Tait.html
[73] Clifford (1875), S. 784.
[74] Anmerkungen von A. Wangerin (1896), in: Helmholtz (1996), Band 79, S. 53.
[75] Maxwell, Atom, 1875, in: Maxwell (1890), Band 2, S. 445.
[76] Vgl. http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/~history/Mathematicians/Lorentz.html: »Lorentz transformations, which he introduced in 1904, form the basis of Einstein's special theory of relativity. They describe the increase of mass, the shortening of length, and the time dilation of a body moving at speeds close to the velocity of light.«
[77] Vgl. Henderson (1983).
[78] Stewart/Tait (1875/1882), S. 147.
[79] Maxwell, Ether, 1875, in: Maxwell (1890), Band 2, S. 775.
[80] Elementary Treatise on Quaternions (1867), Introduction to Quaternions (1873).
[81] Thomson, W. [Kelvin], Obituary Notice, 1901, in: Thomson, W. [Kelvin] (1882-1911), Bd. 6, S. 369.
[82] Helmholtz, Erhaltung der Kraft, 1847, in: Helmholtz (1996), Band 1.
[83] Stewart/Tait (1875/1882), S. XI.
[84] Clifford (1875), S. 790.
[85] Stewart/Tait (1875/1882), S. 218.
[86] Stewart/Tait (1875/1882), S. 219.
[87] Stewart/Tait (1875/1882), S. 219.
[88] Stewart/Tait (1875/1882), S. 223.
[89] Stewart/Tait (1875/1882), S. 140.
[90] Stewart/Tait (1875/1882), S. 155.
[91] Thomson, W. [Kelvin], Vortex Atoms, 1867, in: Thomson, W. [Kelvin] (1882-1911), Band 4, S. 1.
[92] Stewart/Tait (1875/1882), S. 226.
[93] Stewart/Tait (1875/1882), S. 245.
[94] Pound/Shakespear (1984), S. 251.

 

 

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© antje pfannkuchen, Dezember 1999